Kerameikos (Κεραμεικός) ist die Bezeichnung für das Töpferviertel, wichtigstes Zentrum der Keramikproduktion des antiken Athen und der bedeutendste antike Friedhof. Beschriftete Grenzsteine dieses Stadtviertels fanden sich in dem heutigen ausgelehnten Grabungsgebiet, das sich innerhalb und außerhalb der antiken Stadtmauer erstreckt, die nur hier noch gut erhalten ist. Da uns über das Leben in Athen während der ersten Jahrhunderte seiner Existenz keine schriftlichen Quellen zur Verfügung stehen, bilden die Kerameikos-Funde einzigartige Zeugnisse der geistigen Aktivitäten jener Zeit. Bei einem Rundgang durch die sehr schön hergerichtete und bepflanzte Ausgrabungsstätte sieht man Steinabgüsse zahlreicher Grabmonumente, die an den Fundstellen der Originale aufgestellt worden sind.
Zwei wichtige Straßen verließen hier die Stadt. Die nach Westen Straße führte geradeaus zu dem 1,6 km vor dem Dipylon beginnenden Gartenbezirk des Heros Akademos, in dem Platon später seine Philosophenschule, die Akademie, einrichtete. An dieser Straße, die im Anfang 39 m breite Staatsstraße, sind Soldaten, Wohltäter der Stadt, Staatsmänner und Persönlichkeiten, unter ihnen wahrscheinlich auch Perikles und Kleisthenes, in Staatsgräbern bestattet worden. Innerhalb der Mauern begann am Dipylon die Staße, auf der der Festzug anlässlich der Panathenäen zur Akropolis zog. Dipylon (Doppeltor) war eines der 15 Stadttore Athens und das einzige, von dem man noch heute etwas sieht.
Am viertürmigen Heiligen Tor, wo der Eridanos-Fluß das Stadtgebiet verließ, begann die Hiera Odos (Heilige Straße), auf der die Mysterienprozession zum Demeter-Heiligtum nach Eleusis zog. Nach 70 m gabelt sich die Straße; während die rechte Gabelung nach Eleusis führte, endete die linke im Piräus. Beiderseits dieser Straßen erhoben sich prachtvollen Grabmonumente einiger der bedeutendsten Athener Familien des 4. Jhs. v.Chr. Im Kerameikos wird dem Betrachter bewusst, dass die negative Beziehung der Athener zum Alter und zum Tod die prachtvollsten und schönsten Grabdenkmäler hervorgebracht hat. Die Toten sind jung und schön dargestellt. Die idealisierten Marmorgestalten, die nie das Porträt des verstorbenen darstellen, sind nur ein Wunschbild des leichten Abschieds vom Leben.
Der Kerameikos wird seit 1913 durch Ausgrabungen der Abteilung Athen des Deutschen Archäologischen Instituts erforscht. Das Museum links am Eingang zur Ausgrabungsstätte des Kerameikos ist im Jahre 1937 als Stiftung des deutschen Industriellen Gustav Oberländer erbaut und 1960 erweitert worden und beherbergt archäologische Funde, die nach seiner Errichtung ans Licht gekommen sind, während die älteren Fundstücke im Athener Archäologischen Nationalmuseum aufbewahrt werden. Die Exponate dieses kleinen, aber wichtigen Museums ermöglichen es dem Besucher nicht nur, die Entwicklung der antiken griechischen Grabmonumente zu verfolgen, sondern er erhält auch einen vollständigen Überblick über die antike Keramik vom 11. Jh. v.Chr. bis zur Zeit der Römerherrschaft während der ersten drei Jahrhunderte n. Chr.
Die Ausstellung des Museums ist chronologisch aufgebaut und beginnt rechts des Eingangs im zweiten Saal, wenn man den ersten Saal mit den Grabmonumenten zunächst übergeht. In diesem Saal werden einige der schönsten und wichtigsten Beispiele der antiken Keramik aus der Zeit vom 12. bis zum 7. Jh. v.Chr. gezeigt. Unter den Grabbeigaben sieht man große Grabamphoren vom Dipylon-Typus, winzige Gefäße und Spielzeug aus Kindergräbern, Goldschmuck, Schmuckbehälter, deren Deckel mit Pferdestatuetten geschmückt sind, eine Amphora, um deren Hals das Eisenschwert gebogen ist, das dem Krieger gehört hat, sowie zahlreiche weibliche Statuetten. Besondere Aufmerksamkeit verdient die farbig bemalte Sphinx in Vitrine 45, die als Räucherständer gedient hat und eines der schönsten Beispiele der archaisch-attischen Kunst darstellt (um 680 v.Chr.). Beispiele von Grabmonumenten sind im ersten Saal zu sehen.
In den Vitrinen des dritten Saals sind kunstvoll bemalte schwarzfigurige und rotfigurige Gefäße aus dem 7. bis zum 5. Jh. v.Chr. ausgestellt, darunter eine bedeutende Sammlung Lekythen mit mythologischen Darstellungen aus Kindergräbern.
Im vierten Saal sind Funde ausgestellt, die aus dem Zeitraum von der klassischen Zeit bis zur ersten Eroberung durch den Römer Sulla (86 v.Chr) und zur Plünderung durch den im nördlichen Germanien beheimateten Gotenstamm der Heruler im Jahre 267 n.Chr. stammen. Beachtenswert sind die Oinochoe des Aison mit der Darstellung der Nymphe Amymone und die Hydria des Meidias-Malers mit einer Darstellung der Helena mit ihren Schwestern (Vitrine 32). In Vitrine 33 ist ein seltener Fund zu sehen, ein ovales Bleikästchen, mit einer gefesselten Puppe im Innern und in die Innenwand eingeritzten Namen derjenigen, die der Schreiber durch diesen Akt verfluchte.
Fast alle im letzten Saal des Museums ausgestellten Bildwerke sowie zahlreiche andere waren im Jahre 478 v.Chr. nach der Schlacht von Platää in der themistokleischen Stadtmauer verbaut worden, die zum Schutz vor den vormarschierenden Persern in großer Eile und unter Verwendung allen verfügbaren Materials errichtet worden war, wie die älteste erhaltene Grabstele mit der Darstellung eines nackten, ein Schwert und einen Stab haltenden Jünglings aus dem 7. Jh. v.Chr.
Unter dem Schutzdach vor dem Museum sind einige Grabstelen, marmorne Grablekythen und ein Fragment eines Mosaiks mit zwei Löwen untergebracht, das aus dem Bankettraum des Pompeions stammt, dem prächtigsten Bauwerk im Kerameikos, der vor allem den Vorbereitungen für die Panathenäen im 4. Jh. v.Chr. gedient hat und in dessen Innerem die heilige Geräte aufbewahrt wurden.
Kerameikos Museum
Ermou Straße 148
GR-11859 Athen
Quellenangabe:
Museen Griechenlands, Erevnites Edition
Kunstdenkmäler in Griechenland, Deutscher Kunsverlag
Athen, DuMont Kunst-Reiseführer
